Das Priesterbild der hl. Teresa von Avila

 

1.    Papst Paul VI. Ÿber die hl. Teresa von Avila

 

Am 27. September 1970 hat Papst Paul VI. in einer feierlichen Konzelebration mit dem Bischof von Avila Massimino Romero-Lema und dem Generaloberen der Unbeschuhten Karmeliten P. Michelangelo vom h. Joseph die hl. Teresa von Avila zur WŸrde einer Kirchenlehrerin erhoben. Er tat es in Gegenwart von 19 KardinŠlen und zahlreichen Erzbischšfen und Bischšfen und Hunderttausend von GlŠubigen, darunter mehr als dreizehntausend Pilger aus Spanien. Seine Ansprache hat der Hl. Vater mit folgenden Worten eingeleitet:

Die hl. Teresa von Jesus steht vor uns als eine in jeder Hinsicht au§ergewšhnliche Frau; zuerst schon als Ordensfrau, die ganz von Demut, Bu§e und Einfachheit eingehŸllt ist, die aber dabei doch von intensivster Ausstrahlung ist durch ihre leuchtende menschliche VitalitŠt und ihr glŸhendes geistliches Leben; dann steht sie vor uns als die Reformerin und NeugrŸnderin eines bedeutenden Ordens, dessen Wurzeln weit in der Geschichte zurŸckreichen; schlie§lich aber sehen wir sie als Ÿberaus geniale Schriftstellerin von unglaublicher Fruchtbarkeit und als Lehrerin des geistlichen Lebens, die kontemplativ war wie kaum eine zweite und dabei doch unermŸdlich aktiv war. (Wie ist doch diese Gestalt gro§ und einmalig, dabei aber doch so menschlich und anziehend! Bevor wir von anderem sprechen, sind wir versucht von der Heiligkeit dieser Frau zu sprechen, die unter so vielen Aspekten eine Ÿberaus interessante Heilige ist. Aber erwartet von uns nicht, dass wir in diesem Augenblick von der Person und vom Werk Teresas von Jesus viel sagen; es wŸrde hier die doppelte Biographie, die mit viel Sorgfalt von unserer Kongregation fŸr die Heiligsprechungen vorbereitet worden ist, vollauf genŸgen, um jeden, der in wenigen Worten das geschichtliche und biographische Bild dieser Heiligen entwerfen wollte, zu entmutigen. Im †brigen wollen wir ja jetzt gar nicht so sehr auf die Heiligkeit dieser Frau die Aufmerksamkeit lenken, sondern vielmehr auf das, was wir soeben getan haben, nŠmlich auf das Ereignis, das wir in die Annalen der Kirchengeschichte schreiben und zugleich der frommen ErwŠgung durch das Volk Gottes anempfehlen.) Die Verleihung des Kirchenlehrertitels an Teresa von Avila, an die hl. Teresa von Jesus, diese gro§e Karmelitin.

Die Bedeutung dieses Geschehens ist ziemlich klar. (Es ist ein Akt, der der Intention nach erleuchtend wirken soll und der symbolhaft verglichen werden kšnnte mit dem EntzŸnden einer hellen Lampe vor der bescheidenen und doch so erhebenden Gestalt der Heiligen.) Erleuchtende Wirkung hŠtte dieser Akt damals haben sollen wegen der FŸlle von Strahlen, die der Kirchenlehrertitel auf diese Heiligengestalt wirft; erleuchtende Wirkung kšnnte dieser Akt aber auch wegen der FŸlle von Strahlen haben, die dieser Titel auf uns selber wirft.

(Eine FŸlle von Strahlen wirft der Kirchenlehrertitel zunŠchst auf Teresa selbst, denn er zeigt ganz klar die indiskutablen Werte auf, die an dieser Heiligen schon anerkannt worden sind: zunŠchst einmal die Heiligkeit ihres Lebens, die ja seit dem 12. MŠrz 1622 drei§ig Jahre nach dem Tod Teresas von unserem VorgŠnger Gregor XV. offiziell anerkannt worden war in jener Heiligsprechung, bei der zusammen mit unserer Karmelitin auch Ignatius von Loyola, Franz Xaver und der Bauer Isidor, alles Ruhmesgestalten Spaniens und mit dem hl. Philipp Neri, diesem Florentiner und Ršmer, in das Heiligenverzeichnis aufgenommen wurden. ) Dieser Akt der Erhebung Teresas zur Kirchenlehrerin sollte vor allem ihre hervorragende Lehre klar herausstellen. Ihre Lehre leuchtet von den Charismen der Wahrheit, der vollen †bereinstimmung mit dem katholischen Glauben, der NŸtzlichkeit fŸr die Unterweisung der Seelen. Ein weiteres kšnnen wir noch besonders vermerken, nŠmlich das Charisma der Weisheit. Gerade dieses Charisma lŠsst uns ganz besonders an das Ÿberaus Anziehende und  zugleich geheimnisvolle an der LehrtŠtigkeit der hl. Teresa denken, nŠmlich an den Einfluss gšttlicher Erleuchtung in dieser wunderbaren mystischen Schriftstellerin.

Woher stammte bei Teresa der Schatz ihrer Lehre? Zweifellos zunŠchst  aus ihrer Intelligenz und kulturellen wie geistlichen Formung, weiter aus ihrer LektŸre, aus ihren GesprŠchen mit gro§en Lehrmeistern der Theologie und der SpiritualitŠt,  dann aus ihrer einzigartigen SensibilitŠt, aus ihrer zur Haltung gewordenen intensiven aszetischen Disziplin, aus ihrer kontemplativen Meditation, mit einem Wort: aus ihrem Mitwirken mit der Gnade, die von einer au§erordentlich reichen, fŸr die Praxis und Erfahrung des Gebetes bereiten Seele in sich aufgenommen wurde. Aber war wirklich nur das die Quelle, aus der Teresa ihre hervorragende Lehre schšpfte? Oder finden sich bei der heiligen Teresa auch Akte, Taten, ZustŠnde, die nicht aus ihr selbst gekommen, sondern ihr widerfahren sind und die von ihr passiv ertragen werden mussten, mystische PhŠnomene im wahren Sinn des Wortes, die man einer au§erordentlichen TŠtigkeit des Hl. Geistes zuschreiben muss? Wir stehen hier zweifellos vor einer Seele, in der sich eine au§erordentliche gšttliche Initiative offenbart und die von dieser Seele selber erfahren und beschrieben wird in einer ihr eignen literarischen Sprache, die schlicht, getreu und staunenerregend ist. Hier vervielfŠltigen sich die Fragen! Denn die OriginalitŠt der mystischen TŠtigkeit ist ja unter den psychologischen PhŠnomenen wohl das delikateste und komplexeste, weil dabei gar viele Faktoren zusammentreffen kšnnen, die den Beobachter zur Beachtung strengster Vorsichtsma§regeln zwingen: die Liebe, die in den Tiefen des Herzens ihre ganz verschiedenen und vollkommenen Ausdrucksformen erlebt; Liebe, die wir zuletzt VermŠhlung nennen mŸssen, weil sie ja Begegnung zwischen der Ÿberstršmenden, sich herablassenden gšttlichen Liebe mit der menschlichen, mit aller Kraft den Aufstieg wagenden Liebe ist; es ist die innigste und stŠrkste Vereinigung mit Gott, die der auf dieser Erde noch weilenden Seele zu verkosten gewŠhrt ist, da entsteht Licht und Weisheit, Weisheit der gšttlichen, Weisheit der menschlichen Dinge. Von diesen Geheimnissen spricht zu uns die Lehre der Teresa; es sind die Geheimnisse des Gebetes. Hier ist ihre Lehre. Sie hat das Privileg und Verdienst gehabt, diese Geheimnisse zu erkennen auf dem Weg der Erfahrung, die erlebt wurde in der Heiligkeit eines ganz der Kontemplation geweihten und doch zugleich ganz von Aktion erfŸllten Lebens und auf dem Weg der erlittenen und zugleich beglŸckt erfassten inneren Erfahrung in der Eingie§ung au§erordentlicher geistlicher Charismen.

Teresa hat die Kunst besessen, diese Geheimnisse so darzustellen, dass man sie unter die grš§ten Lehrmeister des geistlichen Lebens einreihen muss. Nicht umsonst trŠgt die Statue Teresas als OrdensgrŸnderin in dieser  Basilika (von St. Peter) die Inschrift, mit der die Heilige gut charakterisiert wird: Mater Spiritualium. Es war also gleichsam bisher schon der hl. Teresa kraft einmŸtigen Konsenses dieser Vorzug zugebilligt worden, Mater et magistra, Mutter und Lehrmeisterin jener Personen zu sein, die sich in besonderer Weise dem geistlichen Leben widmen; eine Mutter voll bewundernswerter Schlichtheit und eine Lehrmeisterin voll von wunderbarer Tiefe. Das Votum der Heiligen, der Theologen, der GlŠubigen, der Studierenden war ihr gleichsam bisher schon sicher; wir haben dieses Votum jetzt gewisserma§en nur bestŠtigt und zwar in einer Weise, dass sie, nun mit dem Ehrentitel einer Kirchenlehrerin geschmŸckt, mit noch grš§erer AutoritŠt ihre Sendung erfŸllen kann in ihrer Ordensfamilie, in der betenden Kirche insgesamt, aber auch in der Welt, ihre Sendung mit ihrer Botschaft von dauerndem Wert und von allzeit aktueller Bedeutung. Es ist die Botschaft des Gebetes.

Das ist das Licht, das heute lebhafter und durchdringender der Ehrentitel einer Kirchenlehrerin, wie er der hl. Teresa verliehen worden ist, Ÿber uns alle ergie§t: die Botschaft des Gebetes!

Diese Botschaft kommt zu uns, zu den Sšhnen und Tšchtern der Kirche, in einer Stunde, die gekennzeichnet ist von einer gro§en Anstrengung zur Reform und Erneuerung des liturgischen Gebetes. Diese Botschaft kommt zu uns, die wir durch den gewaltigen LŠrm der Welt und durch die starke Verpflichtung dieser Šu§eren Welt gegenŸber in Gefahr sind, der Betriebsamkeit des modernen Lebens nachzugeben und bei der Eroberung der verfŸhrerischen Werte dieser Erde die wahren Werte unserer Seele zu verlieren. Diese Botschaft kommt zu uns, den Kindern dieser unserer Zeit, in der man nicht nur die Pflege des ZwiegesprŠchs mit Gott aufzugeben beginnt, sondern auch das GespŸr fŸr die Notwendigkeit und Pflicht der Anbetung und des Bittgebetes zu verlieren anfŠngt. Es kommt zu uns diese Botschaft des Gebetes, das wie Gesang und Musik des von der Gnade durchtrŠnkten, fŸr das GesprŠch des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe aufgeschlossenen Geistes ist, in einer Zeit, in der die psychoanalytische Forschung das gebrechliche und komplizierte Instrument Mensch zu zerlegen sucht, und zwar nicht etwa, um die Stimmen der leidenden und erlšsten Menschheit dabei zu vernehmen, sondern nur um das dumpfe GebrŸll eines unterbewussten Wesens und das Geschrei seiner ungeordneten Leidenschaften und seiner angsterfŸllten Verzweiflung zu hšren. Es kommt zu uns die tiefe und zugleich so einfache Botschaft der wahrhaft weisen Teresa Ÿber das Gebet. Sie ermahnt uns dabei, die gro§e Wohltat zu achten, die Gott einer Seele erweist, wenn er sie dazu disponiert, mit sehnsuchtsvollem Herzen das betrachtende Gebet zu pflegen, das, wie ihr scheint, gar nichts andres ist als die Art und Weise, sich freundschaftlich immer wieder mit dem zu besprechen, von dem wir wissen, dass er uns liebt! (vgl. Vida 8,4-5).

Zusammenfassend kšnnen wir sagen: das ist die Botschaft der hl. Teresa von Jesus, der neuen Kirchenlehrerin, an uns! Hšren wir diese Botschaft und eignen wir sie uns an!

Auf zwei Punkte soll jetzt aber noch hingewiesen werden, die uns bedeutsam scheinen: zunŠchst auf dies, dass die hl. Teresa von Avila die erste Frau ist, der die Kirche den Ehrentitel eines Kirchenlehrers zuteilt. Diese Tatsache weckt die Erinnerung an jenes strenge Wort des hl. Paulus: ãMulieres taceant in ecclesiaÒ (Die Frauen sollen in der Kirche schweigen) (1 Kor 14,34). Dieses Wort bedeutet – auch heute noch - , dass die Frau nicht dazu bestimmt ist, in der Kirche Funktionen des hierarchischen Lehr- und Priesteramtes (Dienstamtes) auszuŸben. Haben wir also die Vorschrift des Apostels Ÿbertreten? Nein! TatsŠchlich hat ja der Titel Kirchenlehrer nichts zu tun mit Funktionen des hierarchischen Lehramtes. Gelichzeitig aber sei betont, dass diese Nichtzugehšrigkeit der Frau zur Hierarchie nicht im Mindesten eine geringere WertschŠtzung der erhabenen Sendung bedeutet, die der Frau inmitten des Volkes Gottes zukommt. Im Gegenteil, die Frau, die durch die Taufe in die Kirche eingetreten ist und an ihr Anteil hat, hat dadurch auch Anteil am allgemeinen Priestertum der GlŠubigen, sie ist dadurch befŠhigt und verpflichtet, ãvor den Menschen den von Gott durch die Kirche empfangenen Glauben zu bekennenÒ (Lumen gentium, art. 11). Und in diesem Bekenntnis des Glaubens sind zahlreiche Frauen zu den hšchsten Gipfeln gelangt, und zwar so sehr, dass ihr Wort und ihre Schriften Licht und FŸhrung sind fŸr ihre BrŸder und Schwestern; ein Licht, das Tag fŸr Tag genŠhrt wurde im intimen Kontakt mit Gott, auch in den hšchsten Formen des mystischen Gebetes, fŸr das die Frau – es ist der hl. Franz von Sales, von dem diese Feststellung stammt – eine ganz besondere Eignung besitzt; ein Licht also, das Leben ist und das leuchtet und Leben weitergibt zum Wohl und im Dienst der Menschen. Darum hat auch das II. Vatikanische Konzil auf die erhabene Mitarbeit mit der gšttlichen Gnade, die die Frau fŸr die Ausbreitung des Reiches Gottes auf Erden zu leisten berufen ist, besonders hingewiesen. In Anerkennung und zum Preis der Grš§e fraulicher Sendung auf Erden lŠdt das Konzil alle Frauen ein, mitzuwirken, ãdass die Menschheit nicht der Dekadenz verfŠlltÒ, ã dass die Menschen wieder den Sinn des Lebens verstehenÒ und ãdass der Friede auf Erden gerettet werdeÒ (II. Vaticanum: Botschaft an die Frauen).

Noch ein zweiter Punkt ist da, der nicht Ÿbergangen werden soll: Teresa ist Spanierin; und mit vollem Recht sieht Spanien in Teresa eine seiner hervorragendsten Ruhmesgestalten. Ihre Persšnlichkeit zeigt die charakteristischen ZŸge der spanischen Nation: den kraftvollen Geist, die Tiefe des Empfindens, die Geradheit des Herzens und die Liebe zur Kirche... Teresa lebte in einer Zeit, in der der Sturm der Reformation losgebrochen war, die die Sšhne der Kirche zueinander in Gegensatz brachte. Teresa, in ihrer Liebe zur Wahrheit und in ihrer innigen Gemeinschaft mit dem gšttlichen Meister, hatte alle Art von Leid und Bitterkeit und Unverstandensein zu erdulden; sie gšnnte ihrem Herzen keine Ruhe angesichts des Zerbrechens der kirchlichen Einheit: ãViel habe ich gelittenÒ, schreibt sie (Weg der Vollkommenheit 1,2), ã und wie wenn ich etwas kšnnte oder etwas wŠre, habe ich vor dem Herrn geweint und ihn gebeten, er solle doch einem so gro§en †bel ein Ende setzenÒ. Dieses ihr MitgefŸhl mit der Kirche, dieses ihr Leiden angesichts der Zersplitterung der KrŠfte in der Kirche, fŸhrte sie dazu, mit der ganzen Kraft ihres kastilischen Geistes zu reagieren, um etwas zu tun fŸr den Aufbau des Reiches Gottes. So fasste sie den Entschluss, die sie umgebende Welt zu durchdringen mit einem Plan echter Reform, um dieser Welt wieder einen Sinn, eine Harmonie, eine christliche Seele zu geben.

Vier Jahrhunderte sind seither vergangen. Teresa von Avila wirkt heute noch in gleicher Weise durch ihre geistige Sendung, durch ihr edles Herz, das alle Mensch in weltweiter Liebe umfasst, in einer Liebe, die frei ist von jeder nur irdischen Bindung, um sich ganz an die Kirche hinzugeben. Vor ihrem letzten Atemzug konnte sie mit Recht ihr ganzes Leben in dem Ausspruch zusammenfassen: ãSchlie§lich: ich bin Tochter der Kirche!Ò

In diesem Wort, das fŸr Teresa von Jesus schon den Vorgeschmack des GlŸckes der Seligen bedeutete, wollen wir das spirituelle Erbe sehen, das Teresa ganz Spanien hinterlassen hat;, wir wollen darin aber auch eine Einladung sehen, die an uns alle ergeht, sich mit ihrer Stimme zu vereinen und diesen ihren Ausspruch zum Programm unseres Lebens zu machen -, dass wir alle mit ihr zu wiederholen vermšgen: wir sind Sšhne und Tšchter der Kirche!Ò